Wenn die Tage kürzer werden, die Sonne sich dem Mond verneigt, beginnt eine andere Zeit, eine magische Zeit. Kalt, rau, windig, frostig und doch sanft, umhüllend, beschützend, friedvoll. Eine Zeit, die ganz besondere Kräfte in uns entfalten kann. Unsere Vorfahren haben in ihren Mythologien das Tor, das Portal zu anderen Welten aufgestoßen - oder verschlossen. Hatten Angst - oder haben sich berühren lassen. Was sich aber nicht verschließen lässt, ist das Tor, das unsere Träume uns öffnet. Nehmen wir uns vertrauensvoll an die Hand, lassen uns von diesen magischen Nächten tragen und schreiten durch dieses Portal. In eine Zeit, die scheinbar still steht, eine Zeit der ‚Hin-Wendung‘ und des Inne-Haltens.
Die Raunächte beginnen
Es gibt unterschiedliche Berechnungen der Raunächte. Geläufig sind die Tage zwischen dem 25. Dezember ab 0:00 Uhr und 6. Januar um 24:00, aber nach den Zeitrechnung der Kelten beginnen die Rauhnächte bereits am 24. Dezember um 18.00 Uhr.
Gezählt werden 12 Nächte bzw. 11 Tage, die gefüllt sind mit drei besonderen Ereignissen: Weihnachten, Neujahr, Heilige Drei Könige. Die Rauhnächte haben wohl ihren Ursprung im Wechsel von Mondkalender, mit 354 Tagen, auf dem Sonnenkalender, mit 365 Tagen, zurückzuführen. Das bedeutet: 6 Nächte im alten Jahr und 6 Nächte im neuen Jahr.
Be-Sinn-Ung - Was bedeutet diese Zeit jetzt für uns?
Wir nähern uns dem kürzesten Tag des Jahres, wir feiern Weihnachten, schlagen die Brücke in das neue Jahr bis zu den Heiligen Drei Königen. Den Raunächten vorausgehend ist die Wintersonnenwende am Thomastag, dem 21. Dezember. Wenn wir in uns hinein spüren und uns nicht vom Konsum blenden lassen, spüren wir die Veränderung mit Beginn des 1. Advents. So viele von uns haben das Bedürfnis zu entschleunigen, langsamer zu machen, Zeit für sich zu haben, für Menschen, mit denen wir gerne zusammen sind. Darum begegnen wir uns so gerne auf Christkindlmärkten, trinken Glühwein und tauschen uns aus.
Was wäre, wenn wir in dieser Zeit nicht arbeiten würden? Wenn wir keine Pflichten oder Verpflichtungen hätten? Wenn wir diese Zeit in innerer Ruhe, Freundschaft, Liebe und Heilung beschließen würden. Mit offenen Augen und offenem Herzen. Wenn wir uns um das Feuer versammeln würden, um unser inneres Feuer?
Alle Eindrücke und Einflüsse von außen reduzieren. Auch das Essen reduzieren. Mindestens 13 bis 16 Stunden Pause in der Nacht, bis wir die nächste Mahlzeit beginnen. Dafür bewegen wir unseren Körper, mal nur zum Genießen der frischen Luft und der Ruhe, mal mehr um der Bewegung selbst. Keine Maßlosigkeit, keine Extreme. Wie wäre es, wenn wir uns Geschichten erzählen, Bücher lesen, Fotos ansehen, durch Tagebücher blättern oder unsere eigene Geschichte aufschreiben. Uns ganz auf uns besinnen in dieser Zeit.
Stille Nacht. Heilige Nacht
Eine Zeit der Stille. Eine Zeit der Kontemplation. Die 5 Sinne kommen langsam zur Ruhe. Schmecken, riechen, sehen, begreifen, hören. Dann erwacht zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang ein sechster Sinn: Das Fühlen. Das nach innen Fühlen. Das ‚Ich-Fühlen‘. Ich sitze an meinem Feuer und Wärme mich an mir. Ich fühle meine Gesellschaft, meine Haut, meine Sinne. Ich höre mir zu. Stille Nacht. Heilige Nacht.
Ich gehe ins Bett, wenn ich müde bin. Ich wache auf, wenn ich ausgeschlafen bin. Ich begrüße den Tag, die Sonne mit einem Ritual. In mir meine eigene Sonne, die Verbundenheit mit der Erde, mit allen Menschen, alles Pflanzen, allen Tieren. Ich bin. All – Ein. Alles ist Eins. Ich bin. Dankbar. Meine Intuition führt mich, mein Bauchgefühl leitet mich.
Wenn wir das Geschenk der Stille erfahren dürfen, uns ‚geleiten‘ lassen in den sich erhellenden Mond, das Zeichen für das Unbewusste, das Weibliche, das nach Innenschauende und gleichzeitig auch für das sich Verändernde und den ewigen Wandel. Ich gebe mir Raum. Ich bin da. Ich umarme mich und mein Sein. Nehme das Geschenk an, dass ich mir gebe. Zeit für ICH, M-ICH. Eintauchen in den inneren stillen See, den stillen See des Abends. Brückenschlag zwischen Mondkalender und Sonnenkalender. Eine Brücke aus Feenstaub, ein Brückenschlag aus dem Unbewussten, der Tiefe der Gefühle ins Licht, in die Sonne.
Eine Brücke zur Menschwerdung
Schritt für Schritt, ganz langsam, achtsam: Denn: Jede Einsicht, jede Veränderung trägt Schmerz. Fluchtreflexe, Ängste, Verwirrung, Scham, Abwehr, Trauer, Leid. Vielleicht mit Odins wilder Jagd in dir oder mit dem stillen Flüstern, wenn Träume sich in einer vergessenen, aber nicht verlorenen Bildsprache sich vor dir enthüllen. Kleine Schritte. All eins. Vertraue dir. Vertraue dem Prozess. Die Raunächte beschützen dich. Die Kräfte der stillen Tage. Erkenne, dass alles in DIR ist. Magie, Feenstaub, Sinn, Bewusstsein, Eins sein. Das Wasser in dir ist bereit zu schwingen. Im Wind des Luft, im Gesang der Vögel, im Wiegen der Bäume, im Geruch der Erde, in der Anziehungskraft der Sonne. Fühle, dass du alles bist, alles in dir, mit dir ist. Weite deine Flüge aus und lass dich fliegen. Beschützt. Gehalten. Geliebt.