Ich sehe es immer wieder: in meiner Praxis, in Gruppen unterschiedlichster Couleur, Herkunft und Expertise. Ob bei Teilnehmern, Leitern, Therapeuten: den Selbstbetrug.
Selbstbegegnung
Die tiefe Arbeit im Rahmen der Identitätsorientierten Psychotrauma Theorie (IoPT) bietet die Möglichkeit - fast möchte ich schon sagen ENDLICH! - Antworten auf die dringendsten Fragen zu geben. Und zwar auf wirklich alle Bereiche unseres Lebens. Aus einer Trauma-Theorie entwickelt sie sich immer mehr zu einer Lebens-Theorie. Einem Erkennen und Erleben was Leben ist, wie Leben sein kann und wie schön Leben ist. Und das wir alles in uns tragen.
Wie die Selbstbegegnung funktioniert? Nu, zentral ist dabei immer das eigene Anliegen. Die Frage, die mir wichtig ist, den Wunsch, den ich habe, ein Gefühl, dass ich nicht aussprechen kann, eine Klarheit, die ich gewinnen möchte. Während der Arbeit werden dann innere Wahrheiten sichtbar. Von "bin ich wirklich gewollt gewesen?" und "wo war ich Opfer?", "wo Täter?" bis zu den eigenen Bedürfnissen und Wünschen. Im Gepäck finden wir von Familiengeheimnissen bis zu eigenen Irrungen und Wirrungen alles. Stück für Stück und Schritt für Schritt kommt Licht ins Dunkel - und man selber immer mehr zu sich.
Hier sehe ich, ob ich unterscheiden kann, was zu mir gehört und was nicht. Wie nah ich mir bin, wie ich zu meinen Anteilen stehe, wie ich mit ihnen spreche und umgehe. Ob ich Mitgefühl für mich empfinden kann und Entscheidungen treffen kann.
Diese Arbeit ist wie eine Detektivarbeit. Und lässt keine Facette von uns unberührt. Von den Zehen bis zu den Haarspitzen, von "So ist es aber!" bis "Kann doch gar nicht wahr sein!".
Was dann?
So, jetzt bekomme ich also Antworten. Aber will ich sie hören? Will ich die Erkenntnisse umsetzen? Immer und immer wieder mir die Arbeit machen, durch diesen inneren Geburtsprozess durchzugehen? Denn jede Wahrheit verlangt nach einer Veränderung in uns - zuallererst - und unweigerlich dann auch eine Veränderung im Außen. Sie gehen Hand und Hand, die Erkenntnis und das Handeln. Was will ich tun? Was sage ich? Wann sage ich was? Wie will ich leben? Mit wem will ich leben? Was macht mir wirklich Freude? Und so weiter und so weiter.
Selbstbetrug
Nun, jetzt zeigt sich, ob ich in der Lage bin, meiner inneren Stimme zu vertrauen und den Mut habe, die Erkenntnisse umzusetzen. Jetzt habe ich die Tür geöffnet, aber durchgehen will ich nicht. Auf keinen Fall. Nein, ich ziehe keine Konsequenzen. Lieber verfalle ich ins Jammern, ins Aufgeben, ins Wegsehen. Der innere Selbst-Betrug wird mit aller Kraft aufrecht erhalten. Ich jammere darüber, dass ich nicht weiß, was ich tun soll - obwohl die Arbeiten ganz klar den Weg gezeigt haben. Schuld sind ja auch immer die anderen. Können sie sich denn nicht um mich kümmern? Oder ich will auf Biegen und Brechen alle mit ins Boot holen, obwohl ich weiß, dass sich meine Eltern oder meine Freunde nicht ändern werden. Oder noch schlimmer: ich die Täter in der eigenen Familie oder Verwandtschaft sitzen habe. Aber ich will weiterhin nett und lieb sein, Harmonie haben, um ja nicht anzuecken oder - Gott bewahre - meine Meinung zu sagen. Und so geht es viele Monate, viele Jahre. Und oft auch Jahrzehnte.
Oper bleiben wollen
Das ist das beste Rezept um stecken zu bleiben. Nicht erwachsen werden zu wollen. Ständig unzufrieden zu bleiben. Und je älter man wird, spätestens mit 45 oder 50 Jahren, dann fängt der Körper an zu streiken. Immer häufiger, immer heftiger. Denn diese innere Spaltung ist extrem anstrengend und irgendwann nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Und was nun?
Diese Täter-Opfer-Dynamiken, auch liebevoll T-O-D genannt, sind schwer zu durchschauen und ans Licht zu bringen, aber wenn man sich vertraut und seiner Kraft, dann gut zu lösen. Im Gespräch mit Prof. Dr. Franz Ruppert - ein Interview in zwei Teilen - kann sich jeder, der sich aus der Verstrickung lösen möchte, Anregungen holen. Dabei sollte nie vergessen werden: praktische Arbeit an sich ist der beste Weg zur Veränderung! Und im Übrigen zum Weltfrieden :)
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